Karten zu TV’s The Valley of Adventure
Adrian Böhlen
Version 1.2 vom 19.12.2024
Auch die Handlung dieser Episode wurde – wie die anderen – für die Verfilmung in die 1990er Jahre verlegt. Das Szenario des Buches, welches unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs spielt, «funktioniert» dann allerdings nicht mehr, weshalb es für den Film stark verändert werden musste. Dennoch kommen alle wesentlichen Elemente der originalen Erzählung vor, nämlich: Flugzeugentführung, Landung in unbewohntem Tal, verlassener Stall, gut versteckte Höhle, in den Bergen versteckter «Schatz» (d.h. Kunstgegenstände aus Kirchen) und ein Gefangener. Letzterer – er heisst wie im Buch Otto zum Vornamen – ist vermutlich die interessanteste Person der ganzen Geschichte, denn zunächst scheint er das unschuldige Opfer eines geldgierigen Kriminellen zu sein und wird als solches abwertend behandelt und sogar mit dem Tode bedroht; also ungefähr so, wie im Buch geschildert. Jedoch lässt eine Aussage von Otto ziemlich zu Beginn aufhorchen: Als nämlich der Entführer, Terry, nach der Landung im Tal feststellt, dass alles verlassen aussieht, erklärt er:
‘We killed them all, so no one could tell.’ […] ‘And we dynamited the only pass to stop anyone else getting in.’
Otto hat in dieser Fassung der Geschichte also nicht die Rolle des ehrlichen Bürgers inne, der im Krieg die Kirchenschätze vor dem Raub behüten wollte, sondern gehörte vermutlich einst der SS an, und hat kaltblütig die Bewohner des Tales erschossen, sodass niemand etwas von den geraubten und hier versteckten Kirchenschätzen erfahren konnte. Und als er seine Gelegenheit gekommen sieht, dringt sein wahres Wesen nach fünf Jahrzehnten wieder an die Oberfläche: In einer günstigen Gelegenheit entwendet er Terrys Waffe und plötzlich wird der alte, gebrechliche Mann brandgefährlich!
Während im Buch der gesamte Handlungsstrang bei den Kindern im fremden Tal verbleibt, wird im Film zwischen den Ereignissen dort und jenen der Aussenwelt hin und her gewechselt. Beginnend auf dem Flugplatz, wo Bill Cunningham und Alison Mannering fassungslos mitansehen müssen, wie das Flugzeug mit den vier Kindern an Bord inmitten eines Gewitters startet, verlagert sich das Geschehen bald nach Craggy Tops, dem Zuhause von Alison und ihren Kindern. Bill setzt dort alle Hebel in Bewegung, um herauszufinden, wer das Flugzeug entführt hat, welche Motive dahinterstecken, und vor allem, wohin die Reise gegangen sein könnte. Im Laufe dieser Spurensuche tauchen zwei bemerkenswerte Kartenausschnitte für kurze Zeit im Bild auf.
The Black Mountains

Abb. 1: Bill erläutert Alison die «foothills of the Black Mountains», wo Ottos letzter Flug im Krieg in einem Crash geendet hat.
Ausschnitt aus The Valley of Adventure (NZ 1995), rotiert und entzerrt

Abb. 2: Alison ist ziemlich konsterniert über die Ausdehnung der «Black Mountains».
Ausschnitt aus The Valley of Adventure (NZ 1995), rotiert und entzerrt
Beim Betrachten dieser Kartenausschnitte wird sofort klar, was die Neuseeländischen Filmemacher von Cloud 9 mit den «Black Mountains» meinen: Es handelt sich um den Schwarzwald, das höchste Mittelgebirge Deutschlands und eines der flächenmässig grössten. Während sich im Buch die Handlung in Österreich abspielt (wo genau wird nicht genannt), wird der Schauplatz im Film also nach Deutschland verlegt. Es macht ein wenig den Anschein, dass sie bei Cloud 9 eine besondere Vorliebe für dieses Land hatten, denn auch The Mountain of Adventure spielt dort (in den Bayerischen Alpen), während die Buchvorlage in Wales angesiedelt ist.

Abb. 3: Ungefähr gleicher Ausschnitt wie Abb. 1 auf der Wanderkarte 1:50’000 Offenburg – Hornberg von 1993
Auf dem ersten Kartenausschnitt (Abb. 1) erkennen wir die Gegend um Lahr, zwischen Freiburg und Offenburg, wo sich die von Weinreben bestandenen Hügel aus der Oberrheinischen Tiefebene erheben, die foothills eben, wie Bill sich ausdrückt. Nebenstehende Karte aus den 1990er Jahren zeigt dies noch etwas detaillierter. Gut zu sehen sind auch die Veränderungen, die sich durch rege Bautätigkeit in der Ebene, Umfahrungsstrasse und Autobahn ergeben haben. Weiter östlich gehen die vorgelagerten Hügel allmählich in die bewaldeten Schwarzwaldberge über, die teilweise mehr als 900 m hoch aufragen. Diese Landschaft zeigt der zweite Ausschnitt (Abb. 2). Trotz bescheidener Bildauflösung ist der Name Kinzigtal eindeutig zu erkennen, ebenso der Ortsname Oberwolfach. Der Ausschnitt ist gut gewählt: Das Kinzigtal liegt inmitten eines sich fast ins Unendliche verästelnden Netzes aus tief eingeschnittenen Tälern und Gräben, überwiegend von Wald bedeckt. So passt auch der neuseeländische Drehort mit seinen waldbedeckten, eher sanften Bergen bestens zu diesem Szenario.
Dass es sich bei den im Film verwendeten Karten aber nicht um solche aus deutscher Produktion handeln kann, verrät der Begriff «Abandoned» auf der Abb. 1, der sich vermutlich auf den Steinbruch bezieht (Symbol mit den gekreuzten Hämmern über dem «A»). Ausserdem deutet die Form des Strassenschildes mit der Nummer 3 (Bundesstrasse 3) auf eine amerikanische Urheberschaft hin.
The Army Map Service (AMS)
Dieser Eindruck ist richtig. Es handelt sich um eine Karte des Army Map Service (AMS), heute National Geospatial-Intelligence Agency (NGA). Gegründet 1942 kartierte der AMS während des Zweiten Weltkrieges die Kriegsschauplätze in Europa und Ostasien, und war während des Kalten Krieges zuständig für die Herstellung von Karten, die für die strategische Planung benötigt wurden. Dabei wurden topographische und thematische Karten aller möglichen Massstäbe und unterschiedlichem Erscheinungsbild produziert. Der in der Karte von Abb. 1 verwendete Zeichenschlüssel entspricht dabei dem der Serie M501, Western Europe im Massstab 1:250’000. Allerdings hat die abgebildete Karte einen grösseren Massstab, nämlich 1:100’000. Dies verrät zum einen das Gitter im Abstand von 1 km, ausserdem die Einzelhausdarstellung ausserhalb geschlossener Ortschaften, sowie die Äquidistanz der Höhenkurven von 20 m, die anhand der Höhenkoten einfach zu berechnen ist (155 in der Ebene und 297 auf dem Hügel).

Abb. 4: Ausschnitt aus dem AMS-Kartenblatt NL 32-1 Basel im Massstab 1:250’000, welches den Schwarzwaldrand mit der Bundesstrasse 3 weiter südlich des in Abb. 1 abgebildeten Gebietes zeigt.
Auf der Seite der University of Texas sind sowohl Blattübersichten, wie auch einzelne Kartenblätter des AMS einsehbar. Die im Film abgebildete Gegend des Mittleren Schwarzwaldes steht leider nicht zum Download zur Verfügung, dafür das weiter südlich gelegene Gebiet im Bereich des Kartenblattes NL 32-1. Da ist klar erkennbar, dass zwar der Zeichenschlüssel übereinstimmt, die Darstellung aber an den kleineren Massstab 1:250’000 angepasst ist, so beträgt die Äquidistanz der Höhenkurven hier 50 m. In der Legende des Kartenblatts ist ersichtlich, dass für den deutschen Teil u.a. eine Karte 1:100’000 von 1959 verwendet wurde (Germany, 1:100,000, AMS, Sheet 4136, printed 1959). Es musste also zeitgleich eine Karte dieses Massstabs gegeben haben und das wäre dann höchstwahrscheinlich die, welche in The Valley of Adventure zu sehen ist. Die bei der University of Texas verfügbaren Karten, die deutsches Territorium im Massstab 1:100’000 abbilden, stammen hingegen aus dem Zweiten Weltkrieg (1943) und weisen eine völlig andere Kartensymbolik auf.
Alles geklärt somit? Nicht ganz: Nordwestlich der Stadt Lahr befindet sich der gleichnamige Flughafen (IATA-Code LHA), einer der ältesten Flugplätze Deutschlands. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er von der französischen Armée de l’air betrieben, da dieser Teil Deutschlands zur französischen Besatzungszone gehörte. Später nutzten ihn die Kanadier, ehe er 1994 an Deutschland zurückgegeben wurde. Über seine weitere Verwendung wurde bereits zuvor offenbar «eifrig gestritten» , und nach mehreren Wechseln der Betreiber wird er inzwischen primär für Frachtflüge genutzt. Als militärischer Flugplatz war er auf zivilen topographischen Karten nicht eingetragen, stattdessen wurde das Gelände einfach als grosse leere Wiesenfläche ausgewiesen. Dieses ist oben links in Abb. 3 gut zu erkennen. Interessant ist nun, dass auf der in The Valley of Adventure gezeigten Karte überhaupt nichts auf diesen Flugplatz hinweist, dabei waren sie in den amerikanischen Militärkarten natürlich vorhanden. Als Beispiel sei der in Abb. 4 mit einer strichlierten Linie umrissene, einst ebenfalls von der Armée de l’air betriebene Bremgarten Airport genannt (Flugplatz Bremgarten, ICAO-Code EDTG).
Als Fazit dieser Untersuchung lässt sich daher festhalten, dass zwar die Urheberschaft der Karte, die für The Valley of Adventure verwendet wurde, geklärt werden konnte, nicht aber die Frage, um welche Karte es sich genau handelt und aus welchem Jahr diese stammt.
Grundlagen und Literatur
Landesvermessungsamt Baden-Württemberg, Stuttgart 1993