The Secret of Moon Castle – Die Verwegenen Vier auf Geisterjagd
Adrian Böhlen
Publiziert am 10.04.2020 , überarbeitet und ergänzt am 29.01.2022
Version 1.5 vom 26.12.2024
Zusammenfassung und Gedanken
Während Enid Blyton die ersten 4 Bücher dieser Reihe innerhalb weniger Jahre geschrieben hat, ist The Secret of Moon Castle eher ein Nachzügler. Es erschien erst 1953, also genau 10 Jahre nach dem 4. Band. Die Gründe sind mir unbekannt, allerdings war Enid Blyton in dieser Zeit mit Büchern anderer Serien gut ausgelastet, wie z.B. der Abenteuer-Serie, die damals ihren Anfang nahm, genauso wie auch die beliebten Fünf Freunde. Sicherlich hatte aber auch die Secret Series, gewissermassen der Pionier jener Art Bücher, ihre Anhängerschaft und diese hat vielleicht Enid Blyton gebeten, dass es doch auch in dieser Serie weitergehen möge…
Und wie es weitergeht! Die Familie Arnold soll im Auftrag des Königs von Baronia ein Schloss in England suchen, welches sich mieten lässt, sodass die ganze Königsfamilie dort Urlaub machen kann. Gar nicht so einfach, aber Moon Castle scheint der Beschreibung zufolge genau das Richtige zu sein. Nur will die barsche Haushälterin, Mrs. Brimming, ihre beiden Schwestern und ihr unangenehmer Sohn davon nichts wissen, aber sie müssen sich wohl oder übel damit abfinden, schliesslich sind sie ja nicht die Besitzer. Sie geben sich jedoch alle Mühe, eine möglichst unfreundliche Atmosphäre zu schaffen, in der Hoffnung, die ungebetenen Gäste auf diese Weise rasch wieder loszuwerden. Aber diese denken überhaupt nicht daran, und während die Erwachsenen noch verhandeln, machen sich die Kinder schon mal auf Entdeckungsreisen und müssen dabei feststellen, dass die Türe zum Turm verschlossen ist. Der Schlüssel sei leider verloren gegangen, heisst es…
Allen seltsamen Leuten zum Trotz, das Schloss wird gemietet. Dann aber stellt sich heraus, dass sich die Ankunft der Königsfamilie verzögern wird und auch die Eltern Arnold haben andere Verpflichtungen. So wird entschieden, dass nur die Kinder – Peggy, Mike, Nora, Jack sowie Prince Paul – nach Moon Castle fahren, begleitet vom Kindermädchen Miss Dimity, genannt Dimmy und Ranni, Pauls Bodyguard. Die anderen kommen dann sobald als möglich nach. Das ist wieder echt Enid Blyton: «Störende» Erwachsene werden möglichst «verbannt», sodass die Kinder freie Bahn für ein Abenteuer haben! Und das Abenteuer kündigt sich schon auf der Hinreise an. Sie machen im Ort Bolingblow Rast und die Kellnerin in der Gaststätte will kaum glauben, dass diese Leute ernsthaft eine Zeit lang in Moon Castle leben wollen! Dort geht niemand freiwillig hin, erklärt sie, denn es geschehen rätselhafte Dinge, wie Bücher, die von selbst aus Regalen springen und Geräusche, die zu hören sind, aber niemand wisse, wessen Ursprungs sie sind. Natürlich machen sich die Kinder lustig über sie, bis sie genervt von dannen zieht.
Zunächst nimmt mal alles seinen gewohnten Gang und alle leben sich gut in dem imposanten Bauwerk ein. Aber schon in der ersten Nacht entdecken Jack und Mike zufällig, dass Licht im Turm brennt. Dabei erzählte doch Mrs. Brimming, der Schlüssel zum Turm sei verloren gegangen? Und obwohl ihnen zugesichert wurde, dass dieser finstere Bursche namens Guy ausgezogen sei, kann ihn Jack aus einem Versteck heraus beobachten.
Auch tagsüber wird es allmählich unheimlich: Als sich Dimmy eines Nachmittags zum afternoon tea in den Aufenthaltsraum zurückzieht, beginnen an der Wand aufgehängte Instrumente scheinbar von selbst zu spielen. Sie denkt natürlich zunächst an einen Streich der Kinder, aber als sich dasselbe später in deren Anwesenheit wiederholt, wird klar, dass sie diese zu Unrecht verdächtigt hatte.
Und selbst Jack, der sich sonst nicht so schnell aus der Fassung bringen lässt, hat bald darauf ein Erlebnis, das ihn im wahrsten Sinne des Wortes umhaut. Lassen wir Enid Blyton selbst sprechen:
He saw that it was the same room that had the portrait of a long-ago Lord Moon over the mantelpiece. The face stared down at him, dark and forbidding, the black lock falling over the forehead. The eyes seemed to be looking straight at Jack, angry and fiercely. […] And then a curious thing happened. Lord Moon‘s eyes seemed to become alive! They glowed angrily, and seemed to flash with anger. Then came the hiss again!
Jack backed away. He was not a timid boy, and had plenty of courage—but this was very unexpected, and very eerie too, in that dim room, with the musical box playing its tinkling music all the time. He backed into a stool and fell over. When he got up and looked at the portrait again, the eyes no longer glowed, though Lord Moon still looked as unpleasant as ever.
Aber nicht nur im Schloss, sondern auch ausserhalb davon geht nicht alles mit rechten Dingen zu: Bereits bei der Anreise ist ihnen kurz vor Moon Castle ein aufgelassenes Dorf aufgefallen, dessen Häuser alle zerfallen sind. Sie werden von den Haushälterinnen eindringlich gewarnt, in diesen Ort zu gehen; dort wurden einst Zinnminen betrieben, daher habe es Schächte, und alles sei eingestürzt und entsprechend sehr gefährlich. Logisch, dass die Jungs trotzdem eines Tages hingehen!

Abb. 1: Every house was empty, the windows were broken, the roofs had gaps in them where tiles had fallen off.
Bergstation der Dionisotti-Bleimine, 600 m oberhalb von Goppenstein. Stillgelegt 1953.
Eigene Aufnahme vom 27.09.2019

Abb. 2: ‘Look—there’s some funny old machine they must have used—all rusty and falling to bits.’
Tiefblick von der Dionisotti-Bergstation gegen den Talgrund der Lonza. Im Vordergrund verrostete Seilrollen.
Eigene Aufnahme vom 27.09.2019
Wie immer erwartet den Leser eine spannende Beschreibung eines solchen Ortes, man kennt das ja auch aus anderen Büchern, wie der Island of Adventure. Und wie dort erweist sich das alte, angeblich längst stillgelegte Bergwerk als nicht so verwaist, wie es auf den ersten Blick erscheint. Dort unten ist irgend etwas in Gange, aber was? Jack, Mike und Paul erspähen Männer in Schutzanzügen und sehen urplötzlich eine Art «grünes Feuer» brennen. Und dann «brennt» es auf einmal auch auf ihrer Haut und prickelt und juckt ganz erbärmlich. Sie stehen vor einem unlösbaren Rätsel!
Gleichentags geht es auch den beiden Mädels ganz ähnlich: Peggy und Nora erkunden die Bücherei des Schlosses, als sich einige Bücher selbständig machen und aus dem Regal springen. Wurden sie nicht einst von der Kellnerin vor solchen Vorkommnissen gewarnt und haben sich darüber lustig gemacht? Nun – selber Augenzeugen – finden sie es nicht mehr ganz so lustig… Dennoch stöbern sie auf, was sie suchen: Ein Buch über die Geschichte der alten Burg und der Minen, sogar mit Karten! Auch dies ein typisches Enid Blyton-Element, man denke nur an den Plan der «Via Occulta» bei den Fünf Freunden. Hier wird die Sache aber sehr systematisch analysiert, was damit endet, dass Zimmer vermessen werden, und sie schlussendlich eine Differenz von 2 feet (ca. 60 cm) zu der Erkenntnis bringt, dass zwischen zwei Räumen ein schmaler Geheimgang verlaufen muss!
Und so beginnt das Finale: Durch diesen Geheimgang gelangen Jack und Mike zu guter Letzt doch noch in den Turm, der natürlich nicht verlassen ist, sondern vielmehr üppig belebt, allerdings übertrifft die Menschenansammlung dort oben ihre kühnsten Vorstellungen! Aus einem halbwegs sicheren Versteck werden sie Zeuge einer heftigen Auseinandersetzung der anwesenden Männer. Und es kommt noch toller: Von einem neu entdeckten Metall, das diese dort unten in der alten Zinnmine gefunden haben und nun heimlich abbauen, ist die Rede. Ihm wurde der Name «Stellastepheny» gegeben, und es wird beschrieben als one of the most powerful and valuable in the world.
Was dann folgt – nun ja, die geneigte Leserschaft wird es feststellen: Jack und Mike gelingt es, Guy und seine Komplizen einzusperren und am nächsten Tag ruft Ranni die Polizei, welche die finsteren Burschen abführt. Ende der Geschichte. Ich muss sagen, das ist für mich etwas zu «einfach» geworden, auch wie sich plötzlich all die seltsamen Vorkommnisse aufklären; das hängt wohl mit meiner Vorliebe für Unerklärliches und Rätselhaftes zusammen. Peggy bringt die Enttäuschung, die ich über diesen Schluss empfinde, aber sehr schön auf den Punkt:
‘Oh well—it‘s rather disappointing—everything has got quite a reasonable explanation!’
Wirklich alles? Nicht ganz, es bleibt dieses rätselhafte neue Metall. Könnte es so etwas wirklich geben? Interessanterweise lautet die Antwort «ja», aber da muss ich ein wenig weiter ausholen: Der nachfolgende Abschnitt basiert teilweise auf einem Bericht in der «Bild der Wissenschaft» vom Dezember 1979, was zeigen soll, dass das Thema alles andere als neu ist. Tatsächlich wurde daran bereits zu Lebzeiten Enid Blytons geforscht, sodass ihr entsprechende Resultate möglicherweise bekannt waren.
Grundlage ist das Periodensystem der Elemente (engl. Periodic Table), welches im Jahre 2019, als ich dieses Buch erstmals gelesen habe, 150 Jahre alt geworden ist. Der Neuseeländische Rundfunk produzierte zu diesem Jubiläum eine sehr hörenswerte und auch für Laien gut verständliche Folge von rund 5 bis 15-minütigen Beiträgen namens Elemental, in denen Professor Allan Blackman (fast) jedes Element porträtiert. Das Periodensystem der Elemente listet alle 118 bis heute bekannten Elemente auf, numeriert nach ihrer Ordnungszahl, welche der Anzahl Protonen im Kern entspricht. Natürliche Vorkommen sind bisher auf der Erde nur für die Elemente 1 (Wasserstoff) bis 94 (Plutonium) bekannt, allerdings gelang es schon vor Jahrzehnten, auf künstlichem Wege schwerere Elemente herzustellen, wenn auch meist nur in sehr geringen Mengen, da der Energieaufwand mitunter erheblich ist und sich solche Transurane zudem als je schwerer, desto instabiler erwiesen. Es wird aber schon lange vermutet, dass noch schwerere Elemente mit «abgeschlossenen» Protonen- und Neutronenschalen (so genannt «magische» Kerne) wieder stabiler sind. Leider sind jedoch auch die heutigen Teilchenbeschleuniger nicht in der Lage, genügend Energie aufzubringen, um derartige Kerne zu erzeugen, daher fehlt der direkte Nachweis bis anhin. Es darf aber nicht ausser Acht gelassen werden, dass bei Sternexplosionen (Supernovae) höchstwahrscheinlich Elemente entstehen, die weit schwerer als Uran und stabil sind, somit kämen Transurane durchaus in natürlicher Form vor. Theoretisch könnte es sogar Spuren davon auf der Erde geben, welche noch niemand entdeckt hat, wie das hypothetische, von Enid Blyton beschriebene «Stellastepheny». Gemäss Professor Allan Blackman ist völlig unbekannt, ob es eine natürliche «Obergrenze» der Ordnungszahl gibt. Ebenso weiss niemand, welche chemischen Eigenschaften ultraschwere Elemente aufweisen. «Bild der Wissenschaft» mutmasst dazu:
Beim Element 125 wird der Aufbau der 5g Elektronenschale beginnen. Da Elemente mit g-Elektronen bisher nicht bekannt sind, könnten hier neue chemische Reaktionsweisen auftreten.
Sicher ist, dass derartige Elemente alle radioaktiv sind, und das würde erklären, warum die Männer, die mit diesem Metall hantierten, Schutzanzüge trugen. Und das Brennen und Jucken auf der Haut, das Jack, Mike und Paul verspürten – gänzlich ungeschützt – dürfte dann von der Strahlung stammen. Dies vermutete auch Mrs. Brimming:
‘I don‘t rightly know,’ said Brimmy. ‘They do say that the great fire had something to do with it—it set loose radiations or something down in the mine […]’
Was ist nun für ein Fazit zu ziehen? Das Buch ist zweifellos sehr spannend, eines der spannendsten überhaupt. Enid Blyton sprüht hier nur so vor Ideen und mischt bekannte Elemente und unerwartetes sehr geschickt zusammen, sodass eine wirklich packende Geschichte entsteht. Einzig der Schluss ist für mich etwas enttäuschend, aber das mag jeder für sich selbst beurteilen.
Grundlagen, Anmerkungen und Abbildungen
(Minaria Helvetica Nr. 14b, 1994, Druckseite 146)