The Secret Mountain – Die Verwegenen Vier halten zusammen
Adrian Böhlen
Publiziert am 13.11.2018 , überarbeitet und ergänzt am 11.01.2022
Version 1.4 vom 19.12.2024
Zusammenfassung und Gedanken
Das Buch The Secret Mountain (Die Verwegenen Vier halten zusammen) ist das dritte Buch der Reihe, wobei die Handlung wie immer in sich abgeschlossen ist. Im Gegensatz zur Verfilmung taucht hier auch Prince Paul von Baronia wieder auf, wie übrigens in allen anderen Büchern auch, ausser im ersten. An dieser Tatsache zeigt sich, dass die deutsche Übersetzung dieser Serie, Die Verwegenen Vier, etwas unglücklich ist, denn sie sind eben fast immer zu fünft unterwegs. Auch die frühere deutsche Bezeichnung Die Arnoldkinder war diesbezüglich nicht perfekt. Sinnvoller wäre es gewesen, die englische Bezeichnung zu übernehmen, dies hätte allerdings mit der Geheimnis um… Serie kollidiert (diese Bücher heissen im Englischen aber The Mystery of… ).
Der Unterschied zur Geheimnis um… Serie, oder auch zu den Fünf Freunden könnte indessen nicht grösser sein: Die Handlung dieses Buches spielt nicht im ländlichen England, sondern in einer für uns fremdartigen, nicht näher definierten Gegend Afrikas. Peggy, Mike, Nora, Jack, sowie Prince Paul und seine beiden erwachsenen Freunde (oder eher Bodyguards) Ranni und Pilescu sind dort auf der Suche nach den Eltern von Peggy, Nora und Mike. Captain Arnold und seine Frau wurden einige Wochen nachdem sie mit ihrem Flugzeug in Richtung Afrika gestartet sind, als verschollen gemeldet. Als das Buch entstand, 1941, war die Fliegerei zwar nichts Neues mehr, aber Enid Blyton liess die Handlung wohl bewusst etwas früher spielen, als insbesondere Langstreckenflüge noch wenigen mutigen und abenteuerlustigen Pionieren vorbehalten war.
Sie finden auch tatsächlich das vermisste Flugzeug, welches wie erwartet verwaist ist, allerdings unversehrt inmitten einer mit Gras und Steinen durchsetzten Landschaft steht. Es dort zu landen sei eine Meisterleistung gewesen, meint Pilescu, was allerdings Peggy nicht im geringsten verwundert, denn:
‘He is,’ said Peggy proudly. ‘He is one of the best [pilots] in the world.’
Zu Fuss machen sie sich in der Folge mit zwei Eingeborenen auf den Weg dorthin, wo Mr. und Mrs. Arnold vermutet werden. Diese Einheimischen erzählen ihnen von Menschen eines seltsamen Stammes, die im Innern eines Berges leben sollen und vor denen sich alle fürchten. Natürlich sind die Kinder aufgeregt und malen sich in ihren Gedanken aus, wie es im «geheimen Berg» aussehen könnte, denn schliesslich lieben sie ja geheime Dinge:
‘Do you suppose there are halls and rooms and passages in it?’ said Peggy […] ‘How I do love secret things!’
Die Reise zu dem Berg dauert mehrere Tage und ist wie immer bei Enid Blyton sehr liebevoll mit vielen Details beschrieben. Der einheimische Junge Mafumu, der die Abenteurer begleitet, wird bald zum guten Freund der Kinder, auch wenn die Verständigung aufgrund der Sprachbarriere sehr schwierig ist. Sein Onkel hingegen wird als hartherzig, brutal und unfreundlich beschrieben. Diese Konstellation erinnert stark an Oola, der in Fluss der Abenteuer vor seinem Onkel geflohen ist und auf dem Schiff der Cunninghams Unterschlupf findet. Auch Mafumu kann sich von seinem Onkel losreissen und wird zum Retter in der Not, als sich die Ereignisse überschlagen und alle ausser Jack gefangen genommen werden. Die beiden gelangen zu einem Wasserfall, der sich als Schlüssel zur verborgenen Welt im Innern des Berges erweist. Ob vielleicht Enid Blyton einmal in Kandersteg gewesen ist? Möglich wäre es, dieser Ort ist bei englischen Touristen seit jeher und bis zum heutigen Tage sehr beliebt. Im Gasterntal, südlich des Dorfes, tritt der Geltenbach aus einem erst teilweise erforschten Höhlenlabyrinth in Form eines spektakulären Wasserfalls ans Tageslicht. Die Beschreibung im Buch passt jedenfalls bestens zu dieser Szenerie!

Abb. 1: Der Geltenbach im Gasterntal bei Kandersteg strömt aus einem Höhlensystem und stürzt über die Felswand zu Tale.
Eigene Aufnahme vom 22.08.2019
And then they suddenly saw the waterfall! It was simply magnificent. It fell almost straight down the steep mountainside with a tremendous noise. […]
‘My goodness!’ said Peggy […] ‘It’s coming from the inside of the mountain!’
‘Yes—it is,’ said Mike […] ‘There must be an underground river that wanders through the mountain and comes out at that steep place.’
Jack und Mafumu schaffen es, die Stelle zu erreichen, wo der Wasserfall dem Berg entströmt und unter gewaltigen Schwierigkeiten und Gefahren dem unterirdischen Fluss zu folgen:
[Mafumu’s] head knocked against the roof as he swam—and presently he found that the water touched the roof! So he had to swim under the water, and hoped that before he choked the roof would rise a little and give him air to breathe!
Alles geht jedoch gut und die beiden gelangen in die geheimnisvolle Welt im Innern des Berges, die als sehr weitläufig beschrieben wird, mit fast unendlich lang scheinenden Treppen, die schliesslich zum Berggipfel führen. Nach einem missglückten Fluchtversuch treffen sie dort ihre Freunde wieder, wie auch Mrs. und Mr. Arnold. Bald wird ihnen klar, dass die seltsamen Menschen, welche die Sonne als Gottheit verehren, Prince Paul der Sonne opfern wollen!
Eine Notiz in Jacks Tagebuch bringt Captain Arnold auf einen rettenden Gedanken: Für den nächsten Tag ist eine Sonnenfinsternis vorhergesagt und in der Annahme, dass dieses Volk keinerlei Kenntnisse der Astronomie hat, droht ihnen Captain Arnold, die Sonne zu «killen», sollten sie Paul nicht freilassen. Die Finsternis tritt wie erwartet ein und vorderhand klappt alles wie am Schnürchen. Die Leute erschrecken zutiefst und machen sich aus dem Staube. Zu spät realisieren unsere Freunde, dass dabei der einzige Weg, der vom Gipfelplateau hinunterführt, verschlossen wurde…

Abb. 2: The moon passed further in front of the sun and a bigger piece became completely dark.
Partielle Sonnenfinsternis kurz nach Sonnenaufgang. Der Mond verdunkelt einen Teil der Sonne, ist aber als Himmelskörper vollkommen unsichtbar.
Eigene Aufnahme vom 31.05.2003

Abb. 3: And now even stranger things happened! The sky became as black as night and the stars came out.
Totale Sonnenfinsternis. Der Himmel wird dunkel und für kurze Zeit lässt sich die Sonne ohne Schutzbrille betrachten. Bei wolkenlosem Himmel wären Sterne sichtbar.
Eigene Aufnahme vom 11.08.1999
Die Rettung kommt schliesslich von oben, auch hier ein Motiv, welches später in einem anderen Buch, dem Berg der Abenteuer nochmals zur Anwendung kommt. Ranni und Pilescu, denen als einzige die Flucht gelungen ist, landen mit dem Flugzeug der Arnolds sowie ihrem eigenen auf dem Gipfel und können alle befreien.
Soweit eine kurze Zusammenfassung der Handlung. Nun noch einige persönliche Gedanken: Es ist ein ausserordentlich spannendes Buch! Es gelingt Enid Blyton sehr gut, Hoffnung im Leser zu wecken, dass die Rettung nun bald gelinge, aber wenn man sich schon in Sicherheit wähnt, kommt irgend etwas dazwischen und die Lage sieht wieder düster aus. Von daher also ein Buch, das einem wirklich packen und mitreissen kann! Die Handlung selbst wirkt natürlich etwas fantasy-mässig, ist jedoch nicht vollkommen realitätsfremd. Denn es gibt offenbar in einigen Teilen der Erde unterirdische Anlagen, die nicht natürlicher Herkunft sind, und über deren Erbauer und Bewohner sich nur spekulieren lässt. Auch der Schweizer Autor Erich von Däniken (* 1935) hatte vor über einem halben Jahrhundert die Möglichkeit als einer von ganz wenigen Ausländern, einen kleinen Teil eines geheimnisvollen unterirdischen Stollensystems in Ecuador zu besuchen. In seinem Buch Aussaat und Kosmos, schildert er seine Erlebnisse:
An einem Seilzug, der 80 m in die Tiefe führt, gleiten wir auf die erste Plattform herab; von dort geht es noch zweimal 80 m tief nach unten. Der Marsch in die jahrtausendealte künstliche Unterwelt einer fremden, unbekannten Rasse beginnt.
Die Höhleneingänge sind samt und sonders rechtwinklig, mal schmal, mal breit, die Wänder glatt, oft wie poliert, die Decken plan und wie von einer Glasur überzogen. Das freilich sind keine auf natürliche Weise entstandene Gänge – Luftschutzbunker unserer Zeit sehen so aus! […]
Wir stehen am Eingang einer Halle, gross wie der Hangar für einen Jumbo-Jet. […] Hier enden bzw. beginnen Stollen, die in verschiedene Richtungen führen.
In den folgenden Jahrzehnten haben verschiedene «Schatzsucher» versucht, diese Höhlen und die sich darin angeblich befindende «Metallbibliothek» zu finden, ohne dass ein eindeutiges Ergebnis vorliegt. Die ganze Geschichte ist sehr verworren und überaus spannend, als Aussenstehender ist es aber so gut wie unmöglich, zu beurteilen, was daran stimmt und was nicht. Eine gute Übersicht hat der belgische Journalist und Autor Philip Coppens (1971 – 2012) im Jahre 2006 verfasst und dabei unter anderem festgehalten, dass der vertikalen Eingang, den von Däniken einst benutzt hat, nicht der «richtige» sei, stattdessen befinde sich der geheime Eingang […] unter Wasser! – das erinnert wiederum an das Abenteuer von Jack und Mafumu! Wer sich also selbst einmal als Indiana Jones verwirklichen möchte, fände dort mit Sicherheit ein ideales Betätigungsfeld – die Lage ist dokumentiert. Die Gefahren auch.
Zurück zum «Secret Mountain»: Es ist desweitern bekannt, dass es zahlreiche Kulturen gab, in denen die Sonne als Gottheit verehrt und ihr vermutlich auch Opfer dargebracht wurden. So ist die Idee, diese Leute mit einer Sonnenfinsternis auszutricksen natürlich nicht schlecht! Allerdings frage ich mich, ob Enid Blyton jemals eine totale Sonnenfinsternis mit eigenen Augen gesehen hat, denn die Beschreibung davon weist einen entscheidenden Fehler auf: Alles läuft in Realität viel langsamer ab und dass es wirklich dunkel wird, bemerkt man erst, wenn die Totalität kurz bevorsteht. Und wenn ich schon beim Kritisieren bin: Die Rettungs-Szene ist aus meiner Sicht eher unlogisch. Um auf dem Berggipfel, der zwar als flach beschrieben wird, wirklich mit Flugzeugen landen und starten zu können, müsste dieses Gipfelplateau sehr gross sein. Vielleicht hat Enid Blyton sich dabei vom Fieseler Fi-156 «Storch» inspirieren lassen, ein während des Zweiten Weltkriegs und danach weit verbreitetes Flugzeug, dem bei Gegenwind rund 50 m flache Strecke zum Starten bereits reichen , nur werden die Flugzeuge in diesem Buch als deutlich grösser beschrieben (jenes aus Baronia hat sogar eine Küche an Bord, damit niemand verhungern muss), und auch so illustriert. Solch ein Flugzeug bräuchte mit Sicherheit einige hundert Meter Strecke, um abzuheben.

Abb. 4: ‘Baronia has the most marvellous planes in the world,’ said Pilescu proudly. ‘It is only a small country, but our inventors are the best.’
Der Künstler hat sich hier wohl an einer DC-3 orientiert, zur Zeit der Publikation des Buches eines der modernsten Verkehrsflugzeuge.
Zeichnung von Dudley Wynne

Abb. 5: Von den über 16’000 gebauten Exemplaren der DC-3 befinden sich auch rund 80 Jahre später noch einige wenige in flugfähigem Zustand und begeistern die Zuschauer auf Airshows.
Eigene Aufnahme vom 18.06.2016
Zum Abschluss werfe ich noch einen Blick auf die Verfilmung: Die oft gescholtene Serie von Cloud 9 (NZ 1997) hat diese Geschichte in meinen Augen gut umgesetzt, denn zahlreiche Elemente wurden übernommen: Die wortkargen Bergbewohner mit ihrer seltsamen Hautfarbe, ihr «Führer», der befiehlt (wobei dies im Film eine englische Frau ist), der «goldene Käfig», der wie eine Art Aufzug funktioniert, und die Finsternis, welche hier allerdings eine Mondfinsternis ist (auch diese wird viel zu schnell dargestellt). Wie in den anderen Episoden kommen die beiden Mädels deutlich prominenter zur Geltung (zu Recht, da im Buch der Fokus wieder sehr stark auf Jack liegt) und Prince Paul ist nicht mit von der Partie, dafür zwei ihnen wohlgesinnte Eingeborene. Die Flucht vom Berg erfolgt nicht per Flugzeug (erst später kommt ein Hubschrauber zum Einsatz ), sondern zu Fuss durch das Innere des Berges in einer Weise, die nahelegt, dass auch die Filmemacher sich von Indiana Jones haben inspirieren lassen. Und zu guter Letzt noch ein kleines Detail am Rande: Die Anreise in das ferne Land zu Beginn erfolgt mit einer DC-3!
Grundlagen, Anmerkungen und Abbildungen
(NEXUS Magazin Nr. 7/2006: Coppens, Philip: Die Suche nach der Metallbibliothek)