6.10 Das Wetter und seine Gefahren

Abb. 46: Aufsteigende Gewitterwolke (Cumulonimbus) mit bereits vereister Kappe über den Bergen südlich von Cuzzago.
Eigene Aufnahme vom 06.08.2004
Der Heimweg geht ohne Zwischenfälle über die Bühne und mit der Aussicht, nun eben selbst auf Schatzsuche zu gehen, da sie ja Julius Müller nicht benachrichtigen können, ist auch die grosse Enttäuschung über den verschütteten Pass besser zu ertragen. Inzwischen sind aber dunkle Wolken aufgezogen und gerade noch rechtzeitig schaffen sie es, in die gemütliche Höhle zu schlüpfen, als ein heftiges Gewitter mit strömendem Regen losbricht. Solche plötzlichen Unwetter sind während der warmen Jahreszeit in den Alpen nicht selten, weshalb vor jeder Tour der Wetterbericht genau studiert werden muss und man natürlich auch unterwegs immer einen Blick gen Himmel werfen sollte, insbesondere wenn man gedenkt, in der Wildnis zu biwakieren. Hierbei gilt, von Flussbetten möglichst grossen Abstand zu halten, denn bei Regenfällen verwandeln sich auch Trockenrinnen oder kleine Rinnsale rasch in reissende Fluten. Folgendes Ereignis vom August 2007 soll uns dies in Erinnerung rufen:
Am 30. Juli waren der 19-jährige N.H. und sein 23-jähriger Kollege L.H. (Namen der Redaktion bekannt) mit dem Zug im Dorf Cuzzago südlich von Domodossola angekommen. Sie wollten in den Ferien Wildnis pur erleben und teilten ihren Familien mit, dass sie rund 10 Tage durch den Naturpark Val Grande ziehen würden. […] Zurückkehren wollten sie am 9. August.
Als die Eltern auch am 11. August noch kein Lebenszeichen der beiden Abenteurer erhalten hatten, alarmierten sie die Polizei. Diese startete eine grosse Suchaktion. […] Beim zweiten Suchflug entdeckten die Polizisten […] die zwei Leichen in einem steinigen Flussbett eines Wildbachs auf 1100 Metern im Val Fredda.
Die beiden Männer waren wohl bereits seit einer Woche tot. Sie hatten ihr Zelt am Ufer des Baches aufgeschlagen. Dieser wurde bei einem heftigen Gewitter in der Nacht zu einem reissenden Fluss und zur Todesfalle für die beiden Schweizer. 86
Was die genaue Lage anbelangt, weist der Administrator von in-valgrande.it darauf hin, dass nicht klar ist, ob sich dieser Unglücksfall auf der Val Grande-Seite (dem eigentlichen Val Fredda, nördlich des Passes) oder auf der Ossola-Seite (im Valle di Nibbio) zugetragen hat. 87 Die Charakteristik der beiden Täler ist ähnlich. In Anbetracht der beidseits sehr steilen Hänge wirkt es verlockend, sein Zelt im Talgrund aufzuschlagen, wo sich oft die einzigen halbwegs ebenen Stellen finden. Dieser tragische Unglücksfall soll uns vor Augen führen, welche Gefahren dies mit sich bringt!
Mo. 26. August
Typisch für diese Sommergewitter ist auch, dass sie zwar heftig sind und in kurzer Zeit erhebliche Regenmengen bringen können, dass aber am nächsten Tag oft wieder strahlend schönes Wetter herrscht. Weil durch den Regen auch der ganze Feinstaub und Dunst aus der Luft gewaschen wird, erstrahlt an solchen Tagen der Himmel meist in einem besonders kräftigen Blau. So wird auch von Enid Blyton der Anbruch des siebten Tages beschrieben:
They slept very soundly indeed that night, for they were tired out. The rain fell all night long, but towards dawn the clouds cleared away, and the sky, when the sun rose, was a clear pale blue. Lucy-Ann liked it very much when she parted the soaking fern-fronds and looked out.
“Everything’s newly-washed and clean, even the sky,” she said. “Lovely! Just look!”
[…]
They tied back the fern-fronds and ate their breakfast sitting at the front of the cave, looking out on the far mountains, backed by the sky, which was now turning a deeper blue. 88
Ebenfalls typisch für den Sommer in den südlichen Alpen ist, dass das steinige Gelände rasch abtrocknet. Deshalb kann man auch nach einem kräftigen Regenguss am nächsten Tag losziehen, ohne befürchten zu müssen, im Schlamm oder Morast steckenzubleiben. Auch hierauf wird im Buch verwiesen:
They all scrambled out of the cave. Things were certainly drying fast in the hot summer sun. “Look, those rocks are steaming!” said Lucy-Ann in surprise, pointing to some near-by rocks. So they were. They looked most peculiar with the steam rising up. 89